Kinderbetreuung in Balance: Stressmomente erkennen und benennen

Viel Stress in der Kita: Kindertageseinrichtungen in NRW stehen gerade vielen Herausforderungen und zunehmenden Stress gegenüber – das macht sich auch in der Gesundheit bemerkbar. Immer dann, wenn z.B. eine Erzieherin oder ein Erzieher in der Kita nicht auf sich selbst achtet und permanent über eigene Grenzen geht. Selbstfürsorge und –abgrenzung sind dabei zentrale Bestandteile für einen gesunden beruflichen und privaten Alltag. Ganz nach dem Motto:

„Selbstfürsorge ist nicht alles, aber ohne Selbstfürsorge ist alles nichts“

Warum ist es gerade jetzt wichtig, Selbstfürsorge im Kita-Alltag zu leben? Ein wachsender Beschäftigungsbereich benötigt auch in zunehmendem Maße Beachtung im präventiven und intervenierenden Stressmanagement. Kindertageseinrichtungen sind ein Arbeitsfeld mit wachsenden Beschäftigungszahlen: 841.840 Beschäftigte im Jahr 2022.

Veränderte Lebens- und Arbeitsformen in der Gesellschaft und veränderte Vorstellungen über das Aufwachsen von Kindern haben zu einem Ausbau der Betreuungsplätze im Kita-Bereich geführt. Gesetzlich befeuert wurde der Ausbau seit dem 2013 geltenden Rechtsanspruch für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr auf einen Kinderbetreuungsplatz. Seither werden Einrichtungen, Teams und die Anzahl bereuter Kinder immer größer.

Nicht zuletzt aufgrund des Wachstums sind Kitas fester Bestandteil der öffentlichen Bildungskette geworden. In der Praxis macht sich an vielen Stellen bemerkbar, dass frühe Bildung noch nicht zukunftsorientiert für Kinder, Personal, Träger und Familien umzusetzen ist. Herausforderungen führen im Betreuungsalltag zu Stress bei MitarbeiterInnen . Im Sinne eines präventiven und intervenierenden Stressmanagements, möchten wir in diesem Blogartikel auf folgende Themen schauen:

Positiver und negativer Stress: Zwischen Reiz und Reaktion

Bevor Wege aus dem Stress in die Selbstfürsorge umgesetzt werden können, darf das Thema Stress einmal kurz erklärt werden:

  • Eustress ist positiver Stress. Er entsteht, wenn eine herausfordernde Situation eintritt, die für eine Person lösbar ist (z.B. ein Elterngespräch nach viel Vorbereitung).
  • Distress ist die Bezeichnung für negativen Stress, der auf Dauer krankmachen kann. Gibt es zwischen negativen Stressphasen nicht ausreichend Erholungsmöglichkeiten, schüttet der Körper durchgehend Stresshormone aus, die negative Konsequenzen haben können.

Resilienz ausbauen um Wege aus dem Stress zu finden.

Stress ist immer eine Reaktion auf äußere Reize. Diese Reize werden als Stressoren bezeichnet, sie sind individuell und lösen im Körper biochemische Prozesse aus. Das ist wichtig, um in Notsituationen schnell und instinktiv richtig reagieren zu können.

Dieser Notfallmechanismus ist kurzfristig hilfreich – dauerhaft macht Distress allerdings krank. Aufgrund individueller Stressoren und unterschiedlicher körperlicher Reaktionen ist Stress schwer objektiv messbar. Umso wichtiger ist es, eigene Auslöser kennenzulernen und Methoden im Umgang mit ihnen zu finden.

Häufig genannte Stressoren im Kita-Alltag

Martin Cramer hat in der Zeitschrift „Kita Aktuell ND“ einen Artikel über Stressfaktoren in Kindertageseinrichtungen geschrieben, den wir aus unserer eigenen Erfahrung ergänzen möchten. Dabei haben wir die Stressoren in folgende Kategorien „Fachliche Anforderungen“, „Personalstruktur“ und „Zusätzliche Herausforderungen“ eingeteilt.

Fachliche Anforderungen:

  • Hohe Belastung durch wachsendes Aufgabenvolumen im Kita-Management
  • Zu wenig Zeit für pädagogische Planungen und Dokumentationen
  • Größere Einrichtungen und die Herausforderungen „familiäre Strukturen“ zu implementieren

Personalstruktur:

  • Fachkräftemangel erschwert Mitarbeiterbindung und -gewinnung
  • Fachkraft-Kind-Relation: Zu große Kindergruppen bei zu wenig Personal
  • Überstunden durch Personalausfall von pädagogischen Kräften
  • Wiederkehrende Teamprozesse durch stetige Personalwechsel innerhalb der Teams

Zusätzliche Herausforderungen:

  • Sprachbarrieren aufgrund multikultureller Familienarbeit
  • Nachwirkungen der Corona-Pandemie im Kita-Bereich
  • Fehlende Raumstruktur und Lärmschutzkonzepte

Wie sehr diese Herausforderungen bei einzelnen Fachkräften negativen Stress auslösen und wie langfristig dieser besteht, ist nicht einheitlich zu benennen. Denn die räumlichen und strukturellen Bedingungen unterscheiden sich in den einzelnen Einrichtungen teilweise stark. Es gibt unterschiedliche pädagogische Konzepte und Teamzusammensetzungen.

Wir beziehen uns damit nicht auf die personelle Mindestausstattung gemäß der Personalverordnung oder der räumlichen Voraussetzung für die Betriebserlaubnis. Es geht vielmehr um zusätzliche Faktoren: Raumausstattung (Lärmschutz, Pausenräume, rückenfreundliches Mobiliar), Aufenthaltsorte der Kinder nach Konzept (offene/teiloffene Arbeit), Kommunikationsstrukturen und pädagogisches Know-How.

Aus diesen Gegebenheiten leiten sich mögliche Stellschrauben ab, die individuelle Maßnahmen zur Selbst- und Betriebsfürsorge darstellen.

Strategien zur Stressbewältigung und Selbstfürsorge in der Kita

Eine Auswahl von möglichen Maßnahmen:

  • Funktionale Differenzierung (pädagogische und nicht-pädagogische Bereiche) der Aufgaben im Betreuungsalltag. Durch die Einstellung einer Verwaltungskraft kann z.B. die Einrichtungsleitung entlastet werden. Durch die Einstellung einer Hauswirtschaftskraft, z.B. das pädagogische Team.

  • Personal-Kind-Relation verbessern:

    • Mehr Personal für eine geringere Anzahl an Kindern
    • Mehr freigestellte Zeit für pädagogische Teams zur Beobachtung, Dokumentation und zum Führen von Elterngesprächen

  • Strukturen etablieren, die größere Kita-Teams berücksichtigen

  • Ausrichtung der eigenen pädagogischen Arbeit zwischen familiärem Charakter oder professionellen Dienstleister

  • Zeit für Teamsitzungen und fachlichen Austausch – auch in Zeiten von Personalausfall machbar darstellen

  • Mehrarbeit nicht über die eigenen Grenzen leisten (Selbstfürsorge Mitarbeiter:in) und Betriebsfürsorge Einrichtungsleitung

  • Attraktive Arbeitsplatzgestaltung:

      • Vereinbarkeit Familie/Privatleben und Arbeitszeiten
      • Sicherer Arbeitsvertrag
      • Ausreichend Schließtage einführen für Fachaustausch und Erholung
      • Konzept zur Gesundheitsförderung und -prävention erarbeiten und umsetzen
      • Unterstützung der Weiterentwicklung von Kita und Team z.B. in Form von Weiterbildungen
      • Entwicklung beruflicher Perspektiven in einer Kita zur Mitarbeiterbindung
      • Angemessene Vergütung

Der Weg aus dem Stress mit Fokus Kita

Gesundheit betrifft nicht nur die Kinder in einer Einrichtung, vielmehr auch das gesamte Team. Die Pädagoginnen und Pädagogen sind Vorbilder für die Kinder und beraten deren Familien. Belastungen ergeben sich aus strukturellen und organisatorischen Herausforderungen, die in Kindertageseinrichtungen teilweise von politischen Rahmenbedingungen bestimmt sind z.B. Personal-Kind-Relation, Größe der Einrichtung, Freistellungen. Finanzielle Ressourcen geben Trägern einen Rahmen, der momentan einen geringen Spielraum für präventives und intervenierendes Stressmanagement zulässt.

Umso wichtiger ist es, machbare gesundheitsfördernde Maßnahmen für die eigene Einrichtung zu definieren und umzusetzen. Beispielsweise kann ein Lärmschutzkonzept für eine Kita erstellt werden, um Lärmpausen zu schaffen.
Regelmäßige Austauschformate im Team, in denen positive Erlebnisse und fachlicher Austausch Raum haben, können zu einer Entlastung führen. Eine gute Kommunikationskultur in einer Kita kann helfen, Stressoren zu erkennen, zu benennen und Lösungen zu finden.

Jetzt informieren: Fokus Kita als Weiterbildungsträger baut das Workshop-Angebot zur Gesundheitsprävention aus und bietet damit für ganze Teams oder Einzelpersonen die Chance, sich in ihrer Selbstfürsorge besser kennenzulernen. Aktuell bieten wir den Workshop „Stressbewältigung im Kita-Alltag“ an.